Der VfB-Torhüter Sven Ulreich spricht im StZ-Interview über das für ihn nicht einfache Jahr 2011 und über seine Ziele für das Jahr 2012.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Sven Ulreich (23) hat zuletzt starke Leistungen abgeliefert. Das war seine Antwort auf die Kritiken, die er immer wieder zu hören bekam. "Ich muss zugeben, dass es schon eine kleine Genugtuung war, bewiesen zu haben, dass ich ein guter Torhüter bin", sagt Ulreich.

 

Herr Ulreich, draußen auf dem Trainingsplatz ging es zuletzt auch wetterbedingt stürmisch zu. Dagegen herrscht hier im Teamhotel eine gediegene Ruhe. Abgesehen von ein paar Golfern ist der VfB unter sich. Ist Ihnen das recht so?

Bei dem Wind fliegen die Bälle häufig vogelwild durch die Luft und lassen sich so schwer berechnen. Aber abgesehen davon läuft hier alles optimal. Wir trainieren sehr intensiv, da hat man am Abend schon mal einen leichten Muskelkater. Was die Auswahl unseres Hotels angeht, bin ich sehr zufrieden. Ich liebe die Ruhe und die Abgeschiedenheit, weil man sich so wesentlich besser auf den Fußball konzentrieren kann. Im vergangenen Jahr waren wir in Belek in einem anderen Hotel. Wenn man dort die Lobby betreten hat, kam man sich vor wie in einem gut besuchten Wasenzelt. Das muss ich nicht haben.

Sie machen im Umgang mit den Kollegen und den Medien einen stets aufgeschlossenen Eindruck. Haben Sie vom Naturell her ein eher sonniges Gemüt?

Ich denke grundsätzlich positiv. Aber meine Freundin sagt auch, dass ich ihr manchmal sogar ein bisschen viel grüble. Dabei denke ich gerne auch über Dinge außerhalb des Fußballs nach - und frage mich: Was kann ich in dieser und jener Situation künftig besser machen?

Im letzten Spiel des Jahres 2011 waren Sie aber schon nahe am Optimum. Sie haben im Pokal gegen den Hamburger SV drei oder vier hundertprozentige Torchancen vereitelt und dem VfB dadurch den Einzug ins Viertelfinale gesichert.

Natürlich habe ich großen Spaß, wenn ich solche Bälle halten kann. Dann bin ich auch sehr zufrieden mit mir. Doch ich bleibe weiter sehr ehrgeizig und will immer ein bisschen mehr. Ich bin erst 23 Jahre alt, dass vergessen die Leute manchmal. Für einen Torwart ist das kein Alter, da gibt es auf jedem Gebiet noch ein Steigerungspotenzial. Jens Lehmann war in seiner letzten Saison beim VfB 40. Und auch er hatte in einigen Bereichen noch Luft nach oben. Das hat er damals selbst gesagt.

Dennoch können Sie mit Ihrer Vorrunde sehr zufrieden sein. Die Zukunftsdebatte über Sie und Bernd Leno, der jetzt fest bei Bayer Leverkusen spielt, ist vom Tisch. Wie fühlt es sich denn an, uneingeschränkte Nummer eins beim VfB zu sein?

Ich habe immer gesagt, dass mich die Diskussionen um den Bernd und mich nicht beschäftigt haben. Das war für mich kein Thema, immerhin hatte ich ja bereits in der Sommervorbereitung gegen ihn die Nase vorne. In meiner noch jungen Profikarriere, in der es ja schon einige Rückschläge gegeben hat, habe ich eines gelernt: ich kann es nicht allen recht machen und konzentriere mich daher auf mich und meine Leistung. Damit fahre ich sehr gut. Obwohl ich zugeben muss, dass es schon eine kleine Genugtuung war, dem ein oder anderen Kritiker bewiesen zu haben, dass ich ein guter Torhüter bin.

Ulreich will für DFB-Elf spielen

Welchen Anteil hat Ihr Torwarttrainer Andreas Menger an Ihren stabilen Leistungen in der Hinserie der Bundesliga?

Mit Andreas Menger hat der Verein einen tollen Fang gemacht, das ist ganz klar. Sein Führungsstil zeichnet sich durch eine gute Mischung aus. Er sagt einem immer sehr deutlich, wenn ihm etwas nicht gefällt. Andererseits hat er aber auch gerne mal einen lockeren Spruch drauf. Mein Torwarttrainer hat einen sehr großen Anteil an meiner positiven Entwicklung.

Dennoch muss es Sie doch wurmen, dass Sie in allen Statistiken, sei es bei den vereitelten Großchancen oder dem Notendurchschnitt in den Fachmagazinen im Vergleich mit den anderen Bundesligatorhütern immer unter den Top Drei auftauchen, der Bundestrainer Joachim Löw bei der Frage nach den deutschen Torhütertalenten hinter Neuer und Wiese aber nur die Namen Zieler, ter Stegen und Leno nennt.

Ich kann nur sagen, dass es mein großer Traum ist, auch mal für die A-Nationalelf zu spielen. Wann das sein wird und ob es jemals passiert, das habe nicht ich zu entscheiden. Ich werde jedenfalls hart für dieses Ziel arbeiten.

Der VfB bekennt sich derweil eindeutig zu Ihnen. Im Trainingslager hat Martin Harnik seinen Vertrag um drei Jahre verlängert - und was man so hört, sind Sie einer der nächsten Kandidaten, die der Club langfristig an sich binden will.

Bisher ist noch niemand auf mich oder meinen Berater zugekommen. Aber klar ist, dass ich gerne auch über mein Vertragsende 2013 hinaus beim VfB bleiben würde, weil ich aus der Region komme, ich dem Verein viel zu verdanken habe und er daher mein erster Ansprechpartner ist.

Mit sechs Punkten Vorsprung ist das Polster auf die Abstiegsplätze für den VfB aber nicht allzu groß, während es zu den internationalen Plätzen bereits eine Lücke von vier Zählern gibt. Haben Sie keine Sorge, erneut in Abstiegsgefahr zu geraten?

Wer die vergangene Saison mitgemacht hat, der behält immer ein bisschen im Hinterkopf, dass das auf keinen Fall noch einmal passieren darf. Wir haben an den ersten zehn Spieltagen sehr gut gespielt. Danach waren wir jedoch nicht konstant genug und haben viele Punkte zu einfach hergegeben. Doch die Qualität in der Mannschaft mit den vielen Nationalspielern ist hoch genug, um den Blick auch nach vorne zu richten. Der Anspruch des VfB muss es langfristig ohnehin sein, im oberen Tabellendrittel mitzumischen.

Um international dabei zu sein, müsste in der Bundesliga aber eine große Leistungssteigerung her.

Es gibt ja auch noch den Pokal. Da reichen sechs Siege für den Titelgewinn. Am 8. Februar spielen wir zu Hause gegen die Bayern. Natürlich wird das ein schweres Spiel. Aber ein Sieg ist auch da nicht unmöglich. Wir Spieler wissen alle, dass am 12. Mai in Berlin das Pokalfinale ist. Diesen Termin haben wir uns gut gemerkt.

Routiniertes Talent

Fußballer:Sven Ulreich, geboren in Schorndorf, wurde bereits als E-Jugendlicher bei einem VfB-Sichtungstag entdeckt. Er durchlief bei den Stuttgartern sämtliche Juniorenteams, wurde mit der A-Jugend Deutscher Meister und spielte daneben auch in den Auswahlmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) von der U 16 bis hinauf zur U 21. Für einen 23-jährigen Torhüter ist er sehr erfahren, er absolvierte bereits 66 Bundesligaspiele.

Skifahrer: Die freien Tage hat Sven Ulreich mit einigen Bekannten und seiner Freundin Lisa auf einer Skihütte im Ötztal verbracht. Angst, sich beim Skifahren zu verletzen, hat der Torhüter keine: "Ich fahre seit meinem vierten Lebensjahr und bin jetzt nicht einmal hingefallen."